Der »eingebaute« Kunde

Die Fälle

Foto/Montage: Mark Ihlenfeldt

Der »eingebaute« Kunde und die anonyme Antwort •
Der 18. Fall

Hat Sie ein Bewerber letztens »geghosted«? Haben Sie keine Antwort mehr von einer Bewerberin bekommen, obwohl sie doch Interesse an dem ausgeschriebenen Job äußerte? In diesem Fall zeige ich Ihnen, woran das liegen kann.

Auch hier haben wir es mit einem Klassiker der Neuzeit zu tun. Ich bin ja ebenfalls auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung und habe in dem Zusammenhang viel mit den HR- und Recruitung-Abteilungen von verschiedenen Firmen zu tun. Das sind große Konzerne, erfolgreiche Mittelständler oder kleinere Unternehmen. Immer wieder werde ich von ihnen aufgefordert, meine Bewerbung nicht per E-Mail einzureichen, sondern in ihrem »Recruitingportal« (oder Vergleichbarem) einzugeben bzw. hochzuladen. Dort muss ich mich natürlich registrieren und meine persönlichen Daten eingeben. Erst danach kann ich mein Anschreiben, mein Profil und (wenn gewünscht) meine Arbeitszeugnisse hinterlegen. Einige persönliche Fragen beantworten und dann klicke ich auf »Absenden«.

In vielen Fällen kommt dann eine Bestätigung.

Und bei mir folgt daraufhin das große Wundern. Denn die sieht beispielsweise so aus:

»Von: Recruiting <donotreply@successfactors.com>

Betreff: Ihre Registrierung

Sehr geehrte(r) Mark O. Ihlenfeldt,

Sie haben sich erfolgreich in unserem Bewerbungssystem registriert.

Über folgenden Link haben Sie jederzeit Zugriff auf Ihr Profil https://career2.successfactors.eu/career... Vielen Dank für Ihr Interesse an einem Einstieg in unserem Unternehmen und unseren aktuellen Stellenangeboten.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung.

Mit freundlichen Grüßen

Recruiting Services«

In meinem Kopf häufen sich die Fragezeichen: Wer kommuniziert hier mit mir? Was will mir der Absender sagen? Und vor allem: Wer ist der Absender? Welche Firma schreibt mir hier? Woher hat da jemand meine Daten? Ich vermute, dass meine Eingaben in einem Recruitingportal dahinter stecken, der Absender bleibt aber zunächst anonym.

Kurze Zeit später erreicht mich die Eingangsbestätigung auf meine Bewerbung bei dieser Firma, einer Tochter eines großen westdeutschen Energieversorgers.

»Von: Recruiting <donotreply@successfactors.com>

Betreff: Bewerbung als ••• bei ••• GmbH

Hallo Mark O. Ihlenfeldt,

vielen Dank für die Bewerbung für eine Stelle bei uns im Unternehmen Wir freuen uns sehr über das Interesse, (…).

Zurzeit schauen wir uns alle Unterlagen an, um eine Einschätzung vorzunehmen. Das kann eventuell etwas dauern, aber wir wollen uns wir wollen uns einfach sicher sein, dass unsere neuen Mitarbeiter*innen optimal zu uns passen.

Sobald es etwas Neues gibt, melden wir uns wieder. Bis dahin: Danke für die Geduld.

Freundliche Grüße

Personalmanagement ••• GmbH

••• GmbH, Geschäftsführung: •••, Sitz der Gesellschaft ••• · Eingetragen beim Amtsgericht ••• · Handelsregister-Nr. •••«

Aha. Immerhin weiß ich jetzt, welche Firma mir da schreibt. Unbekannt bleibt die Person, die meine persönlichen Daten erhalten hat. Keine Adresse, keine Telefonnummer, nicht einmal eine E-Mail-Adresse, an die ich mich bei Nachfragen wenden könnte – denn der Absender ist ja donotreply@successfactors.com und nicht Vorname.Name@•••.de. Antworten nicht möglich und auch nicht gewünscht. Ein ungutes Gefühl macht sich breit, denn ich habe mein Berufsleben detailliert vor einer Firma ausgebreitet, die mir nicht einmal das Vertrauen schenkt, einen verantwortlichen Ansprechpartner mit Kontaktdaten zu nennen. Kommunikation auf Augenhöhe? Fehlanzeige!

Was ist passiert?

Die ausschreibende Firma spart Zeit und Aufwand – auf Kosten der Bewerberinnen und Bewerber. So ein Recruitingportal – in der Regel Teil der HR-Software für Mitarbeiterverwaltung und Management – ist schon eine feine, vor allem aber eine bequeme Sache. Ruckzuck eingerichtet, muss sich die HR-Abteilung nicht mehr um viel kümmern, denn die Verwaltungsaufgaben werden von der Software übernommen.

Blöd nur, wenn man dabei die Personalisierung in den Dialogen mit den Bewerbenden vergisst.

Blöd nur, wenn E-Mails an Bewerberinnen und Bewerber so anonym verschickt werden, wie in diesem Fall.

Blöd nur, dass diese dann entscheiden, mit dem Unternehmen nichts mehr zu tun haben zu wollen.

Und blöd nur, dass das Unternehmen davon gar nichts mehr mitbekommt – denn es kann ja gar keine entsprechende Nachricht erhalten. Sie wissen, was ich meine: Antwort nicht möglich, denn der Absender ist donotreply@…

An die Bewerberinnen und Bewerber wird dabei nicht gedacht. Es geht allein um die kosten- und aufwandsparende Verwaltung des Recruitings für das Unternehmen. Respekt oder gar Wertschätzung der potenziellen Mitarbeitenden? Nicht erwünscht. Als Mensch fühlt man sich hier nicht behandelt, egal, was auf den bunten, vielversprechenden Hochglanzseiten der HR-Abteilung im Netz auch stehen mag. Eine vertrauensbildende Maßnahme sieht gänzlich anders aus.

In meinem Fall hat mich nicht nur das Tochterunternehmen als Interessenten verloren, sondern auch der gesamte Konzern. Von »partnerschaftlichem« bzw. »an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden« orientiertem Verhalten und »Wohlfühlfaktoren« bei der Arbeit ist da weit und breit nichts zu erkennen, auch wenn es auf ihren Karriereseiten noch so wohlklingend hervorgehoben wird…

Der Tipp des »eingebauten« Kunden

Nehmen Sie bei jeder Stellenbesetzung auf jeden Fall einmal die Perspektive Ihrer Bewerberinnen und Bewerber ein. Durchforsten Sie Ihr HR- oder Recruiting-Portal nach allen Kontaktpunkten zu den Bewerberinnen und Bewerbern. Welche Nachricht wird wann und wie gesendet? Was ist enthalten? Welche Antwortmöglichkeiten geben Sie den Bewerbenden? Wer wird als Absender genannt? Das sollte immer eine echte, reale Person sein, die die Bewerbenden auch wirklich erreichen können.

Beachten Sie, dass diese (Eingangs-)Bestätigung in vielen Fällen der erste »echte« Kontakt der Bewerbenden mit Ihrem Unternehmen ist. So wie Sie einen guten ersten Eindruck erwarten, gilt es gleichermaßen andersherum. Bedeutet: Auch Sie können an dieser Stelle gravierende Fehler machen. Wenn Sie die Bewerberinnen und Bewerber jetzt nicht in der Form ansprechen, die Sie mit viel Pomp und Anstrengung im Rahmen Ihres aufwändigen Employer Brandings versprochen haben, sind Sie die Bewerberin bzw. den Bewerber gleich wieder los. Denn warum sollte sie bzw. er sich weiter mit Ihnen auseinandersetzen, wenn Sie doch gleich beim ersten Kontakt bewiesen haben, dass Sie es nicht ernst meinen. Ob das in Zeiten des Fachkräftemangels so eine gute Entscheidung ist…?

Die Auswirkungen reichen sogar noch weiter: Sie verlieren nicht nur eine Bewerberin oder einen Bewerber, sondern sie bzw. er wird sich ggf. später einmal an Sie erinnern. Genau dann, wenn Ihre Firma sich um einen Auftrag bemüht, über den die/der solchermaßen behandelte Bewerber/in entscheiden wird. Was denken Sie: Wird sie/er gute, positive Erinnerungen haben? Oder wird es eher ein Zögern oder gar Ablehnung geben?

Denken Sie daran, wenn Sie ein HR- oder Recruiting-Portal nutzen wollen. Es geht nicht nur um die Zeit- und Aufwandsersparnis für Sie, sondern auch um die nachhaltige Wirkung auf die Bewerberinnen und Bewerber. Fehler an dieser Stelle können Ihrem Image schnell dauerhaften Schaden zufügen.

Foto/Montage: Mark Ihlenfeldt

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