Der »eingebaute« Kunde

Die Fälle

Foto: Rodrigo Salomón Cañas/pixabay

Der »eingebaute« Kunde und der verhunzte erste Tag •
Der 25. Fall

Die nächsten fünf Fälle des »eingebauten« Kunden drehen sich um die Touristikbranche, genauer um unsere Erlebnisse während einer Mittelmeerkreuzfahrt, die in Barcelona startete. Dieser erste Fall zeigt, wie ein unterbesetzter Check-In gleich am ersten Tag den Ton setzt für eine völlig unzureichende Organisation der Reederei und wie Kosteneinschränkungen das Reisevergnügen der Gäste auf der Kreuzfahrt so deutlich einschränken, dass sie nicht als erneute Gäste an Bord zu erwarten sind.

Im Reedereipackage, das wir gebucht haben, ist der Flug zum und vom Einschiffungshafen Barcelona sowie der Transport zum und vom Schiff enthalten. Bis dahin klappt auch alles reibungslos, wir sind kurz nach 13 Uhr am Terminal der Reederei am Kai der spanischen Metropole am Mittelmeer und bestaunen das Schiff, das fest vertäut vor Anker liegt. Mit uns gehen 3.500 andere Personen an Bord, vor allem aus Spanien und Frankreich, aber auch aus einigen nördlicher gelegenen Ländern wie Deutschland, den Niederlanden und Polen. Der Check-In-Prozess ist dreigeteilt. An einer ersten Station geben wir unser Gepäck ab und bekommen eine Nummer zugewiesen. Es wundert mich, dass die Gäste vor uns Karten mit einer aufgedruckten Nummer erhalten, während unsere Nummer nur handschriftlich auf unserem Bordmanifest notiert wird. Es folgt die Sicherheitskontrolle, die der an einem Flughafen nicht unähnlich ist. Per Rolltreppe gelangen wir anschließend in den ersten Stock des Kreuzfahrtterminals: Eine große Halle mit einer langen Reihe von Check-In-Countern. Dort angekommen, werden wir in einen eingezäunten Bereich geschickt mit den Worten: »Warten Sie hier, bis Ihre Nummer aufgerufen wird!« Auch das kennen wir schon von anderen Kreuzfahrten.

Was diese davon unterscheidet, ist die Tatsache, dass es hier keinerlei Verpflegung gibt, weder Mineralwasser, andere Getränke oder ein kleiner Snack… Da sind die Wettbewerber wesentlich gastfreundlicher mit ihren Kreuzfahrtgästen umgegangen. Und das wird bis zum (sehr späten) Abendessen so bleiben, wie die Abläufe der nächsten Stunden zeigen.

Denn wir bleiben knapp zwei Stunden in dem »Gatter«, bis unsere Nummer aufgerufen wird. Mittlerweile ist es 15:30 Uhr und wir können endlich einchecken. Kein Wunder, dass es so lange gedauert hat, denn es waren von den mehr als 20 Schaltern in der Regel nur 4 Schalter besetzt, kurzzeitig auch mal bis zu 6 Schalter, aber niemals mehr. Der Check-In-Prozess dauerte daher eine ungewöhnlich lange Zeit. Vom ersten Tag auf dem Schiff blieb uns nicht mehr viel…

Am Bord wurden wir dann aufgefordert, schnellstmöglich den digitalen Muster-Drill, also die obligatorische Sicherheitsübung, durchzuführen, denn wir sollten bis um 15:45 Uhr an der Muster-Station zur Registrierung erscheinen. Also schnell die Seiten in der Reederei-App durchgearbeitet, die Schwimmweste angelegt und ab zur Muster-Station vor einer Bar auf Deck 7. Dort angekommen – es ist 15:46 Uhr – stellen wir fest, dass dort niemand mehr ist. Kein Personal, keine anderen Gäste. Während wir warten, gesellen sich andere Gäste zu uns, die ebenfalls zum Muster-Drill kommen. Keiner weiß, was passieren wird, auch weil sich kein Personal um uns kümmert. Die Bar ist noch nicht besetzt, also können wir dort auch niemanden fragen. Wir machen uns auf den Weg zur Rezeption ein Deck tiefer. Lange Schlangen an Passagieren bevölkern den Raum vor dem Schalter, an dem zwei Reedereiangestellte verzweifelt versuchen, den Anfragen Herr zu werden. Wir erhalten die Auskunft, dass es neben der digitalen Sicherheitsübung auch eine »normale« geben werde und wir einfach die Durchsagen abwarten sollten…

Also kehren wir in unsere Kabine zurück und können nun endlich auspacken. Danach würden wir uns freuen, etwas zu trinken und zu essen, nachdem wir jetzt seit acht Uhr morgens unterwegs sind und uns der Magen deutlich zu verstehen gibt, dass er sich über etwas Nahrung freuen würde. Fehlanzeige, denn die meisten Restaurants sind geschlossen, erst gegen 16:30 Uhr öffnet eines zum Nachmittagstee und Kaffee und Kuchen. Aber auch das schaffen wir nicht, denn zur gleichen Zeit findet die reguläre Sicherheitsübung statt, die wir nun problemlos bewältigen. Und so warten wir bis 21:45 Uhr auf das Essen, denn wir haben die zweite Sitzung beim Abendessen bekommen und damit den späten Slot, gönnen uns aber vorher zum Auslaufen noch einen Cocktail an der Infinity-Bar am Heck des Schiffes. (Und ja, gegen Gebühr hätten wir auch schon früher etwas zu essen bekommen.) Wir sehen uns an, freuen uns über das schöne, warme und sonnige Wetter in der katalonischen Hauptstadt und hoffen, dass wir nur einen Ausnahmetag erlebt haben. – Es soll anders kommen. Fortsetzung folgt.

Was ist passiert?

Eigentlich sollte man vermuten dürfen, dass Kreuzfahrtveranstalter im Vorfeld wissen, welche Zahl an Passagieren in einem Hafen einchecken wird, und entsprechende personelle Vorbereitungen für einen glatten Ablauf treffen. Nicht so in diesem Fall. Mit einer Mindestbesetzung am Check-In glaubte die Reederei, dass wohl alles gut gehen wird. Die Unzufriedenheit der Passagiere nahm man billigend in Kauf und hoffte, dass der unmittelbar bevorstehende Urlaub die Laune und das erste Urteil über das Unternehmen besänftigen würde. Wir waren und blieben skeptisch. Wie wir erfuhren, war das Verhältnis Anzahl Crewmitglieder zu Passagieren auf dieser Kreuzfahrt 1:5,2. Also war ein Crewmitglied rechnerisch für 5,2 Passagiere zuständig. Das kann nicht gutgehen. Andere Reedereien nutzen wesentlich geringere Crew-Passagier-Verhältnisse (z. B. 1:2,5), um einen guten Service bieten zu können und lange Wartezeiten zu vermeiden. So kann man natürlich Kosten sparen – zu Lasten der Passagiere, denen weniger Service geboten wird, und auch der Crew, die extrem viel zu tun hat. Ob das wohl zielführend ist? Es führt immerhin zu einer sehr scharfen Zielgruppenselektion (mehr Service vs. höhere Kosten). Wir haben am Ende dieser Kreuzfahrt zusammenfassend ein eindeutiges Fazit gezogen, das Sie in Fall 29 lesen werden. 

Der Tipp des »eingebauten« Kunden

Wenn Sie in Ihrem Service (aus welchen Gründen auch immer) unterbesetzt sind, glauben Sie nicht, dass Ihre Kunden bzw. Gäste es nicht bemerken: Doch, das fällt auf. Da hilft nur die Flucht nach vorn. Stehen Sie dazu und informieren Sie Ihre Gäste vorher (!) darüber. Wen es nicht kümmert und wer damit klarkommt, wird gern Ihr Gast bleiben und über die Unzulänglichkeiten, die ja vielleicht nur temporärer Natur sind, hinwegsehen.

Vermeiden Sie auf jeden Fall, einen Eindruck von Luxus, persönlicher Zeit zu zweit oder ähnlichem zu erwecken, wenn Sie diesen nicht leisten können. Kunden, die diesen Versprechungen folgen, dann aber eine andere Realität erleben, werden mit Sicherheit darüber sprechen. Diese negative Mund-zu-Mund-Propaganda wird Ihnen auf jeden Fall schaden. Und je mehr Menschen diese Erlebnisse haben, desto nachhaltiger wird der Schaden für Sie. Bleiben Sie also ehrlich und vermarkten Sie Ihren Service nicht mit vollmundigen Worten, wenn Ihr Angebot anders aussieht. Gerade der erste Eindruck, den ein Kunde von Ihnen erhält, prägt sich ein. Da sollten Sie glänzen und keine Enttäuschung generieren.

Foto: Rodrigo Salomón Cañas/pixabay

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